Entwurf: Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes
Die Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer ist faktisch eine staatliche Transaktionsgebühr für den Eigentümerwechsel bei Immobilien. Der Steuersatz wurde in den letzten Jahren massiv erhöht, so dass Überlegungen zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung umso lohnender waren. Die hierbei entstandenen üblichen Gestaltungen über eine grundbesitzhaltende Gesellschaft („Share Deals“) anstelle des direkten Erwerbs sind der Gesetzgebung offensichtlich auch weiterhin ein Dorn im Auge.
Der Regierungsentwurf zu einem „Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes“ wurde daher am 31.07.2019 vom Bundeskabinett mit einigen Verschärfungen beschlossen. Nach einer Anhörung im Finanzausschuss des Bundestags am 14.10.2019 sollte das Gesetz am 16.10.2019 beraten, bis Ende November 2019 umgesetzt werden und nach Art. 2 des Gesetzentwurfs eigentlich zum 01.01.2020 in Kraft treten. Die Koalitionsfraktionen haben die Reform nun jedoch auf das erste Halbjahr 2020 verschoben. Die Beratungen im Bundestag hätten gezeigt, dass der Entwurf einer eingehenderen Prüfung bedarf. Der Entwurf enthält insbesondere Verschärfungen hinsichtlich der Besteuerung von Share Deals. Nach Ansicht des Bundesministeriums der Finanzen „hat die Praxis gezeigt, dass es besonders im Bereich hochpreisiger Immobilientransaktionen immer wieder gelingt, durch gestalterische Maßnahmen die Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Die hiermit einhergehenden Steuermindereinnahmen sind von erheblicher Bedeutung. Ziel des Gesetzes ist deshalb die Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen in der Grunderwerbsteuer durch verschiedene Einzelmaßnahmen.“ Geplante Maßnahmen nach bisherigem Entwurfsstand sind ua.:
- Senkung der Beteiligungsgrenze von 95% auf 90% für neue Gesellschafter (Gesellschafter, deren fünfjährige Haltefrist zum Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht abgelaufen ist)
- Verlängerung der Behaltefrist von fünf auf zehn Jahre
- Einführung eines § 1 Abs. 2b (Anteilseignerwechsel bei Kapitalgesellschaften)
Insbesondere die Einführung des geplanten § 1 Abs. 2b GrEStG für Kapitalgesellschaften führt zu erheblichen Herausforderungen bei der Planung entsprechender Transaktionen.
Durch den neuen Ergänzungstatbestand sollen zukünftig auch Beteiligungsübertragungen bei Kapitalgesellschaften mit inländischem Grundbesitz nach dem Vorbild der bereits für Personengesellschaften geltenden Regelung grunderwerbsteuerlich erfasst werden. Werden innerhalb von zehn Jahren mindestens 90% des unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschafterbestandes der Gesellschaft ausgetauscht, führen Anteilsübertragungen zu einer Grunderwerbsteuerbelastung der AG bzw. GmbH.
In der Anhörung hatten die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft bezweifelt, dass der Gesetzentwurf tatsächlich Anteilskäufe bzgl. Grundstücken wirksam verringern wird. Derzeit muss mit einem Inkrafttreten des Gesetzes noch zum Jahreswechsel gerechnet werden.
Stellungnahme des Bundesrats
Zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes werden zudem vom Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 20.09.2019 folgende Änderungen am Regierungsentwurf gefordert:
- Ergänzung des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG-E um eine Regelung, dass für die Bestimmung der Neugesellschaftereigenschaft bei einer an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft lediglich Gesellschafterwechsel innerhalb des in § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG festgelegten Zeitraums und nicht unbefristet maßgebend sind.
- Ergänzung von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG-E um eine sog. Börsenklausel. Einschränkend soll jedoch gelten, dass die zum Handel zugelassenen Anteile den überwiegenden Teil des Kapitals repräsentieren müssen. Außerdem müssen die Anteile an einem organisierten Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG oder einem gleichwertigen Dritthandelsplatz zugelassen sein. Als nicht ausreichend wird der Handel im Freiverkehr nach § 48 BörsG oder über sonstige organisierte bzw. multilaterale Handelssysteme angesehen.
- Änderung des § 1 Abs. 2b GrEStG-E aus Vertrauensschutzgesichtspunkten dahingehend, dass Anteilsübergänge vor dem Inkrafttreten des Gesetzes nicht mitgezählt werden (§ 23 Abs. 23 Satz 1 GrEStG-E). Gleiches wird im Rahmen der Vertrauensschutzregelung des § 23 Abs. 23 Satz 2, 3 GrEStG-E für Verpflichtungsgeschäfte gefordert, die innerhalb eines Jahres vor Zuleitung des Gesetzentwurfes an den Bundesrat abgeschlossen wurden und innerhalb eines Jahres nach Zuleitung vollzogen werden.
- Prüfbitte, im weiteren Gesetzgebungsverfahren § 6a GrEStG so anzupassen, dass Umstrukturierungsmaßnahmen im Konzern steuerneutral erfolgen können. In der jetzigen Form wird das ursprüngliche gesetzgeberische Ziel aus Sicht des Bundesrates nur unzureichend erfüllt.
Außerdem wird die Bundesregierung aufgefordert, spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zu evaluieren, inwieweit die Senkung der Beteiligungsgrenze von 95% auf 90% und die Verlängerung der Haltefristen von fünf auf zehn Jahre zu den intendierten Verhaltensänderungen bei den adressierten Marktakteuren geführt hat.
Erschwerte Anzeigepflicht
Die in Verbindung damit für die steuerpflichtigen Unternehmen bestehende Anzeigepflicht für grunderwerbsteuerliche Sachverhalte wonach dieser innerhalb von zwei Wochen ab Kenntniserlangung von dem anzeigepflichtigen Vorgang anzuzeigen ist, führt in der Praxis zu einem strukturellen Vollzugsdefizit. Den Unternehmen wird eine steuerliche Pflicht auferlegt, die unmöglich vom Steuerpflichtigen sowie auch nicht von der Finanzverwaltung erfüllt werden kann. Insbesondere bei weit verzweigten Beteiligungsstrukturen fehlt es den Unternehmen in der Regel an der erforderlichen Kenntnis von mittelbaren Beteiligungsänderungen. Dennoch treffen diese Unternehmen letztendlich die wirtschaftlichen Folgen.
Eine Anzeigepflicht hinsichtlich mittelbarer Änderungen in der Beteiligungsstruktur ist daher nur in Verbindung mit rechtlich durchsetzbaren Auskunftsansprüchen oder vielmehr mit Berichtspflichten der Unternehmen, an denen sich Beteiligungen ändern, effektiv. Vertraglich werden sich solche Pflichten in komplexen Beteiligungsstrukturen nur schwer durchsetzen lassen. Zu prüfen wäre daher die Einführung einer gesetzlich fixierten Informationspflicht hinsichtlich mittelbarer Beteiligungsänderungen, nach der die Information über Beteiligungsänderungen unaufgefordert an die grunderwerbsteuerpflichtigen Unternehmen zu erteilen ist.
Die Effektivität der Einführung einer Börsenklausel ist in diesem Zusammenhang fraglich. Auch nichtbörsennotierte Gesellschaften mit Anteilseignern, die ihrerseits börsennotiert sind, können entsprechende mittelbare Übertragungen nicht kennen.
Alternative: Steuervermeidung durch Unit-Deals
Die im aktuellen Entwurf geplante Gesetzesänderung, die auf den Share Deal zielt, ist zudem nicht geeignet, Steuervermeidungen durch Unit-Deals zu unterbinden. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Ausarbeitung der wissenschaftlichen Dienste des Bundestags.
Die Experten haben sich den Unit-Deal genauer angeschaut und ihn als echte Alternative zum Share-Deal ausgemacht.
Beim Unit-Deal werden Anteile eines Fonds übertragen, in den zuvor Immobilien geschoben wurden. Hierbei handelt es sich um eine Umplatzierung bzw. um ein Anteilscheingeschäft. Bei dieser Verkaufsstruktur findet zwar ein Anteilseignerwechsel im Fonds statt. Zivilrechtlich verändert sich das Eigentum an den im (offenen) Fonds gehaltenen Immobilien jedoch nicht, da nicht die Anteilseigner als Eigentümer betrachtet werden, sondern die die Anteile verwaltende Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG). Aus diesem Grund fällt auch regelmäßig bei Unit-Deals keine Grunderwerbsteuer an. Voraussetzung ist, dass die Immobilien im vertraglichen Sondervermögen gehalten werden und eine Treuhandlösung gewählt wird.
Nach der Treuhandlösungkönnen die Vermögensgegenstände des nicht rechtsfähigenSondervermögens der KVG zugeordnet werden, die diese für Rechnung der Anleger als zivilrechtliche Eigentümerinhält. Die Einbringung eines Grundstücks in ein Sondervermögenführt nach der Treuhandlösung zu einem – grunderwerbsteuerpflichtigen – Rechtsträgerwechsel, mit der Folge, dass die Immobilie nach der Einbringung im Eigentum der KVG steht. Ein nach deutschem Recht ausgestaltetes Immobilien-Sondervermögen in Vertragsform besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit und ist auch nicht Träger eigener Rechte, die Verwaltung obliegt einer externen Kapitalverwaltungsgesellschaft. Die KVG verwaltet das Sondervermögen auf Rechnung der Anleger nach Maßgabe der Anlagebedingungen, die das Rechtsverhältnis zwischen Anlegern und Verwaltungsgesellschaft regelt, vgl. § 1 Abs. 10 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). Die Steuerpflicht bei der Einbringung lässt sich jedoch durch eine unentgeltliche Einbringung vermeiden.
Bei einer späterenVeräußerung der Anteilscheine seitens eines Anlegers in dieser Fallkonstellation fällt sodann grundsätzlich keine Grunderwerbsteuer an. Die KVG wird beim Abschluss von (schuldrechtlichen oder dinglichen) Verträgen weder Gläubigerin des Anspruchs noch Eigentümerin. Veräußert die KVG für Rechnung des Sondervermögens eine Immobilie, wird der Veräußerungserlös somit kraft Gesetzes automatisch Bestandteil des Sondervermögens. Hierzu werden bereits verschiedentliche Lösungsmodelle vorgetragen.
Folgerungen für die Praxis kurz zusammengefasst:
- Weiterhin können Transaktionen bis zum 31.12.2020 rechtssicher nach bisheriger Rechtslage durchgeführt werden; dabei ist jedoch eine sorgfältige Planung und Vertragsgestaltung unabdingbar.
- Erwerbsvorgänge ab Januar 2021 könnten bereits dem verschärften Regelungswerk unterliegen und sollten daher vorsorglich ggf. die geplanten Neuregelungen berücksichtigen.
- Besonderes Augenmerk sollte beim Erwerb zusätzlicher Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften gerichtet werden, da hier uU. ebenso verlängerte Haltefristen zu beachten sein können.